Dauerstrohwitwer Martin Leibssle im neuen Vereinsheim der „Haugga Narra“
„Wenn das ein normaler Samstagabend wäre, wär ich heut im Schwanen“, macht Leibssle gleich zu Beginn klar. Die Essinger „Haugga Narra“ dürfen sich also geehrt fühlen. Mit „Leibssle würfelt – Gott würfelt nicht“ eröffnet Eckhard Grauer nicht minder närrisch die neue Heimat der Karnevalisten.

Joachim Fritz am Klavier, Alex Hess am Bass und Eckhard Grauer alias „Leibssle“ liefertem dem Publikum keinen normalen Samstagabend.
Kennen Sie das psychokeramische Syndrom? Nein? Doch, sicher: Leibssle meint damit nichts anderes als den berühmten Sprung in der Schüssel. Ob er den nun selbst hat oder doch eher einer seiner vielen Stammtischbrüder oder Verwandten, bleibt dahingestellt. Sicher ist: Leibssle ist Kult. Und als Kabarettist mit solchem Status weiß er damit umzugehen.
Spontan und schlagfertig zeigt er sich in Essingen, schießt sich aufs Publikum ein, singt und frotzelt in gewohnt gekonnter Manier. Dabei nimmt er durchaus auch gesellschaftskritische Züge an. Ob beim Häkeln für den Frieden vor dem Berliner Reichstag („Damit die Politiker die letzten heißen Eisen noch anfassen können“) oder der rein objektiven Betrachtung der „Sportart“ Nordic Walking – für Leibssle nicht viel mehr als „Betreutes Gehen“. Zum Glück mit zwei Stöcken statt nur mit einem, „sonst würde man dauernd im Kreis laufen“.
Leibssle ist dabei kein engstirniger Lokalpatriot – auch wenn natürlich eine gehörige Portion deftig Schwäbisches mitschwingt. Leibssle versteht es immer zum rechten Zeitpunkt einen dezenten Blick über den Maultaschensuppentellerrand zu werfen, sich auf die große weite Welt einzulassen. Meist tut er dies singend (gemeinsam mit Joachim Fritz am Piano und Alex Hess am Bass). Wenn ihn seine Frau Liesbeth mal wieder zum Einkaufen schickt beispielsweise. Dann wird schon mal der Blues ausgepackt, denn was ein wahrer Leibssle ist, der schreibt sich seine Einkäufe nicht auf, nein, der singt sie sich vor: „An Lidder Milch, an Käs dazu, a Pfond Budder…“ und so weiter.
Auch die Literatur hat es ihm angetan – gerne im Original. Da Leibssle aber kein Englisch kann, bleibt ihm bei Shakespeare nichts anderes übrig als zwischen den Zeilen zu lesen. Klassiker wie „Lassiter“ sind da schon eher seine Kragenweite. „Sie kennen Lassiter nicht?“, fragt er ins Publikum. Fingerfertig zückt er ein kleines Western-Heftchen, präsentiert stolz sein Lieblingswerk. Bis ins Detail beschreibt er anschließend die Geschichte des Cowboys, der mit der letzten Kugel aus seinem Colt gleich vier Halsschlagadern gleichzeitig traf.
Gewieft zieht Leibssle Parallelen zur heutigen Zeit. Als Würfelbetrüger versucht er sich beim „Mensch ärgere dich nicht“, singt das Lied vom Würfelspieler. An die Frauenwelt gerichtet, gibt’s noch ein kleines Männergeheimnis mit auf den Weg: „Männer tun nur so, als gebe es das Kind im Manne, damit die Frauen ihren Mutterinstinkt ausleben können“.
Grandios auch Leibssles Abhandlung auf die Servicequalität heutiger Haarsalons. Minutenlang zeichnet er hier die Charakterzüge seines Stammfrisörs nach, umschreibt lustvoll dessen Wandel im Verlauf der Jahrzehnte, hin zum Servicedienstleister. Leibssles süffisantes Fazit sorgt für große Lacher: „Der schneidet kein Haar anders als vor zwanzig Jahren – aber mit Beratung“.
- Veröffentlichung:
23.06.2009 - Medium:
Lokales, “Schwäbische Post” - Copyright
by Heiko Buczinski
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